Störeinflüsse auf die Kühlschmierstoffversorgung beim Schleifen - Teil II
In diesem zweiten Teil der Magazinserie werden Störgrößen aus den Gebieten:
e) Kühlschmierstoff-System
f) Kühlschmierstoff-Düse
g) Das mit der Schleifscheibe rotierende Luftpolster
thematisiert. Haben Sie den ersten Teil noch nicht gelesen? Dann klicken Sie hier.
e) Kühlschmierstoffsystem
Auch bei der Auslegung der Kühlschmierstoffsystemtechnik können Fehler entstehen, die eine thermische Schädigung zu schleifender Bauteile verursachen können. Im Kontext dieses Magazinbeitrages sollen zu einem Kühlschmierstoffsystem, alle verbauten mechanischen Aggregate verstanden werden, die in direkten Kontakt mit dem Kühlschmierstoff einer Fertigungseinheit gelangen. Hierzu gehören Pumpen, Ventile, Rohrleitungen, Kühlschmierstofffiltrationsanlagen, Schutzfiltrationen, Kühlschmierstoffkühlaggregate, Maschinenabsaugungen sowie Maschinenbettspülungen. Die Kühlschmierstoffdüsen kommen auch in Kontakt mit dem Kühlschmierstoff, doch dieses Thema behandeln wir nachfolgend gesondert.
Für den Fall eines Fehlers im Kühlschmierstoffsystem kann dadurch die sachgerechte Zuführung des Kühlschmierstoffes an die Bearbeitungsstelle bezüglich der geforderten Menge, des chemischen bzw. physikalischen Zustandes derart beeinträchtigt werden, als dass die Bauteile durch die Schleifbearbeitung thermisch geschädigt werden. Vor allem bei zunehmend verstopften Rohrleitungen, aufgrund einer zu hohen Kühlschmierstoffverschmutzung, kommt es zu einem Druckabfall nach der Verschlussstelle und dadurch zu einer Unterversorgung der angeschlossenen Kühlschmierstoffzuführsysteme. Die Kühlschmierstoffaustrittsgeschwindigkeit sinkt und dadurch kann mit dem Kühlschmierstoffstrahl das mit der Schleifscheibe rotierende Luftpolster nicht anforderungsgerecht durchdrungen werden. Der Kühlschmierstoff gelangt nicht in den Porenraum der Schleifscheibenbindung und wird somit nicht der Zerspanungsstelle zugeführt. Die Temperaturen bei der Spanbildung erreichen damit Werte, die zu einer nachhaltigen Zugeigenspannungserhöhung in der Bauteilrandzone führen. Derartige Druckabfälle können auch aus dem mechanischen Verschleiß der im Kühlschmierstoffsystem verbauten Aggregate wie Pumpen, Ventile resultieren. Fällt die Kühlschmierstoffkühlung aus oder ist deren Leistung aufgrund verschiedenster Ursachen beeinträchtigt, so erhöht sich die Kühlschmierstofftemperatur und damit sinkt die Wärmeaufnahmekapazität des Kühlschmierstoffes im Zerspanungsprozess.
Abbildung 1: KSS-Verschmutzung [WZL-RWTH Aachen] Abbildung 2: Schleifbelag [WZL-RWTH Aachen]
f) Kühlschmierstoffdüsen
Einen wesentlichen Effekt bei der anforderungsgerechten Kühlschmierstoffversorgung bilden die Störeinflüsse, die aus der Auslegung einer Kühlschmierstoffdüse her resultieren. Eine sachgerechte Düse führt den Kühlschmierstoff zu jeder Zeit der Schleifbearbeitung der Zerspanungsstelle zu. Dies kann direkt geschehen, indem der Kühlschmierstoffstrahl auf die Zerspanungsstelle zieht, oder indirekt, indem der Kühlschmierstoff den freien Porenräumen der Schleifscheibe zugeführt wird. In beiden Fällen muss der Kühlschmierstoffstrahl das mit der Schleifscheibe rotierende Luftpolster durchdringen und nach der Penetration eine genügend hohe Strahlqualität bei gleichzeitig genügender Kühlschmierstoffgeschwindigkeit aufweisen. Dabei richtet sich die Kühlschmierstoffaustrittsgeschwindigkeit direkt nach der Schleifscheibenumfangsgeschwindigkeit und resultiert aus dem der Schleifscheibenumfangsgeschwindigkeit angepassten Kühlschmierstoffdruck, der vor der Düse anliegen muss. Unter Berücksichtigung des Düsenquerschnittes berechnet sich daraus ebenso die Kühlschmierstoffmenge, die durch die Düse fließt. Man kann leicht nachvollziehen, dass ein großer Düsenquerschnitt zu einer geringen Kühlschmierstoffaustrittsgeschwindigkeit führt und ebenso zu hohen Kühlschmierstoffvolumenströmen. Beides sollte möglichst vermieden werden. Der Kühlschmierstoffstrahl sollte gezielt und möglichst kompakt der Zerspanungsstelle und/oder der Schleifscheibentopographie zugeführt werden können. Hohe Kühlschmierstoffmengen bedürfen schließlich auch einer entsprechend großen Kühlschmierstofffiltrationsanlage. Eine zu geringe Düsenaustrittsöffnung wiederum kann zum Düsenverschluss führen, wenn die geforderte Kühlschmierstoffreinheit nicht eingehalten wird. Generell ist es also durchaus komplizierter eine anforderungsgerechte Düsentechnik zu ermitteln.
Bei allen Sachfragen rund um die Auslegung Ihres Kühlschmierstoffsystems, ihres Abrichtprozesses, Ihres Schleifverfahrens, Ihrer Schleifmittelauswahl, der Konstruktion von Kühlschmierstoffdüsen steht ihnen der professionelle Rat des team Grindaix jederzeit zur Verfügung. Wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme.
g) Luftpolster
Die Schleifscheibe als Werkzeug stellt einen rotierenden Körper dar, der durch die Porosität seiner Oberfläche die Bildung eines Luftpolsters ermöglicht. Im Sinne der Physik tritt hier das Phänomen der Grenzschichthaftung auf. Die Relativgeschwindigkeit zwischen der scheibennahen Grenzschicht und der Schleifscheibe ist daher null. Durch die Navier-Stokes-Gleichungen kann analytisch ermittelt werden, dass die Geschwindigkeit des Luftpolsters, direkt an der Schleifscheibenoberfläche folglich der Umfangsgeschwindigkeit der Schleifscheibe und damit der Schnittgeschwindigkeit vc entspricht. Dies ist auf die Reibung zwischen der Umgebungsluft und der Schleifscheibenoberfläche zurückzuführen. Mit wachsendem Abstand von der Scheibenoberfläche nimmt die Strömungsgeschwindigkeit des Luftpolsters ab.
Abbildung 3: Schleifen
Da Schleifscheiben meist keramisch gebunden sind, weisen diese auf ihrer gesamten Oberfläche eine hohe Oberflächenrauheit auf. Daher liegt eine Grenzschichthaftung der Umgebungsluft an der gesamten Schleifscheibenoberfläche vor, sodass es zu einem, durch die Rotation hervorgerufenen, Zentrifugalpumpeffekt kommt. Umgebungsluft wird durch die rotierende Schleifscheibe seitlich angesogen und über die Außenflächen in radialer Richtung wieder abgeleitet. Durch einfache Versuche kann das Luftpolster sichtbar gemacht werden. Abbildung 4 zeigt einen Versuchsaufbau zur Sichtbarmachung des Schleifscheibenluftpolsters beim Flachschleifen.
Das mit der Schleifscheibe rotierende Luftpolster stellt einen Widerstand für die Zuführung von KSS zur Schleifscheibe, bzw. in den Schleifspalt dar. Durch die vom Luftpolster verursachten Strömungskräfte, wird der Kühlschmierstoffstrahl unter Umständen soweit abgelenkt, dass die Schleifscheibenoberfläche kaum noch versorgt wird. Damit geht eine Minderversorgung des Schleifspalts mit KSS zwangsläufig einher.
In einer Forschungsarbeit zum Einsatz von Kühlschmierstoff beim Schleifen mit einer CBN-Schleifscheibe, wird diese Beobachtung von T. Beck anhand eines Versuchs bei einer Schnittgeschwindigkeit von vc = 100 m/s und einem Kühlschmierstoff-Volumenstrom QKSS = 50 l/min geschildert. Ebenfalls wird das Luftpolster hier als Widerstand für den KSS-Strahl identifiziert, der für eine effektive Kühlschmierung zwingend überwunden werden muss. [1]
Durch die Zentrifugalpumpwirkung und die Rotation der Schleifscheibe, entsteht eine charakteristische Strömungsrichtung des Luftpolsters, die sich anhand einer Vektorzerlegung in verschiedene Kraftanteile zerlegen lässt. Abbildung 5 zeigt schematisch die Kraftanteile anhand einer frei rotierenden Schleifscheibe. Deutlich erkennbar ist die seitliche Zuströmung von Luft an die Flanke der Schleifscheibe und die anschließende Ableitung zur umfangsseitigen Werkzeugoberfläche. Als signifikante Kraftanteile, die zu einer Ablenkung des KSS-Strahls führen, sind hier die x- sowie die y-Komponente zu nennen. In Rotationsrichtung der Schleifscheibe, bzw. der Vertikalen (y) ist ein abstandsabhängiger Verlauf der Strömungsgeschwindigkeiten und der davon abhängigen Strömungskräfte festzustellen. Ebenfalls tritt über die Schleifscheibenbreite und in Abhängigkeit des radialen Abstandes von der Scheibenoberfläche eine Varianz der Strömungsgeschwindigkeit auf. Das Luftpolster weist also eine bestimmte Morphologie bezüglich der auftretenden Strömungsgeschwindigkeiten auf, die vom verwendeten Schleifscheibentyp, aber auch der Umfangsgeschwindigkeit vc abhängen.
Die Ablenkungseffekte des Kühlschmierstoffstrahls durch das Luftpolster können anhand von Versuchen nachgewiesen werden. Abbildung 6 zeigt einen Vergleich zweier KSS-Versorgungszustände, bei denen der Luftpolstereinfluss mit und ohne Luftableitvorrichtung betrachtet wird.
In diesem Versuch wird bei gleichen Schnitt- und KSS-Versorgungsparametern ein Ableitblech für das Luftpolster als Vergleich zum nicht abgeleiteten Luftpolster installiert. Deutlich zu erkennen ist, dass die Strahlkraft der KSS-Düse bei den gewählten Versorgungsparametern allein nicht ausreicht, um das Luftpolster zu durchdringen. Der Schleifspalt, als Kontaktstelle zwischen Schleifscheibe und Werkstück, wäre unter diesen Umständen, ohne die zusätzliche Verwendung eines Ableitbleches, nicht ausreichend mit Kühlschmierstoff versorgt.
Abbildung 4: Schleifscheibenluftpolster beim Flachschleifen [1]
Abbildung 5: Kräftezerlegung der Luftpolsterströmung [1]
Abbildung 6: Beeinflussung des KSS-Strahls, ohne und mit Luftableitblech [2]
Aus diesem und weiteren Versuchen geht hervor, dass ein faktischer Einfluss des Luftpolsters auf die Kühlschmierstoffzuführung besteht. Durch Heinzel werden jedoch verschiedene gegenteilige Einschätzungen zum Einfluss des Luftpolsters auf die KSS-Versorgung, anhand verschiedener KSS-Düsen-Bauformen geschildert. [3]
- Luftpolstereinfluss sei umstritten und spiele eine untergeordnete Rolle.
- Bei hohen Schnittgeschwindigkeiten (vc ≤ 130 m/s) tritt zunehmender Störeinfluss auf.
- Bei Punktstrahldüsen sei aufgrund hoher Strahlgeschwindigkeit keine Störung des Strahls zu erwarten.
Unabhängig von den genannten Einschätzungen ist jedoch der beobachtete Störeinfluss des Luftpolsters maßgeblich für Gegenmaßnahmen zur Luftpolsterabschwächung oder -durchdringung. Aufgrund der vielen variablen Prozessparameter, angefangen bei der verwendeten Schleifscheibe, dem Bearbeitungsverfahren oder der Schnittgeschwindigkeit, ergeben sich auch variable Ausprägungen des Luftpolsters mit unterschiedlichen Störeinflüssen auf den KSS-Strahl.
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Tipp: Wir bieten regelmäßig ein praxisorientiertes Fachseminar zum Thema „Schleifbrand vermeiden“ in Köln an. Hier finden Sie weitere Informationen:
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Tagungsleitung: Dr.-Ing. D. Friedrich
Quellenangaben
[1] [Beck Thorsten, Berichte aus der Produktionstechnik, Kühlschmierstoffeinsatz beim Schleifen mit CBN, Aachen, Shaker Verlag, 2001, Band 28/2001]
[2] [T.Yoshimi, S.Oishi, S.Okubo, H.Morita. Development of Minimized Coolant Supply Technology in Grinding. JTEKT Engineering Journal English, 2010]
[3] [Heinzel Dipl.-Ing. Carsten; Methoden zur Untersuchung und Optimierung der Kühlschmierung; Bremen; Universität Bremen; 1999]
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