Strömungstechnische Betrachtung des Luftpolsters

Ausgehend von dem im Magazinartikel, Störeinflüsse auf die Kühlschmierstoffversorgung beim Schleifen - Teil II – Absatz g) Luftpolster, beschriebenen Phänomen der Grenzschichthaftung stehen in der Literatur zusätzliche Untersuchungen zu Form und Ausprägung des Schleifscheiben­luftpolsters zur Verfügung. Neben FEM (Finite Elemente Methoden) und CFD-Analysen (Computational Fluid Dynamics), werden zudem optische Messverfahren mit einem Laser-Doppler-Anemometer angewendet. Um die Ausprägung des Luftpolsters mit der Schnittgeschwindigkeit vc der Schleifscheibe vergleichen und in Relation bringen zu können, ist die Strömungsgeschwindigkeit des Luftpolsters in m/s als signifikante Messgröße anzusehen.                   

Abbildung 1 zeigt deutlich die schnelle Luftschicht nahe der Schleifscheibenoberfläche. Zudem ist die Abnahme der Geschwindigkeit mit steigender radialer Distanz von der Schleifscheibe zu erkennen. Nach Wu/Morgan wird der Rückgang der Strömungsgeschwindigkeit im Luftpolster als exponentiell fallend beschrieben. Die Luftgeschwindigkeitsmessung mittels Laser-Doppler-Anemometer zeigt diesen Zusammenhang für verschiedene Umfangs­geschwindigkeiten vc zwischen 20 – 40 m/s.

Durch die ermittelten Messwerte lässt sich das Geschwindigkeitsprofil des Luftpolsters charakterisieren. Nah an der Schleifscheibenoberfläche liegen die höchsten Strömungs­geschwindigkeiten des Luftpolsters vor. Diese entsprechen analytisch, beim Abstand 0 mm der Umfangsgeschwindigkeit der Schleifscheibe. Am Messpunkt des kleinsten radialen Abstandes ist bereits ein deutlicher Rückgang der Strömungsgeschwindigkeit zu sehen, der sich mit weiterwachsendem Abstand quadratisch fallend fortsetzt.

In detaillierten Untersuchungen der Rheinischen Fachhochschule der Stadt Köln unter Prof.-Dr. Ing. Wilfried Saxler und Herrn M.Eng. Roman Stabauer zum Thema Luftpolstercharakterisierung beim Schleifen wurden weitere aufschlussreiche Erkenntnisse gewonnen. Zur Charakterisierung des Luftpolsters wurden hier die Strömungsgeschwindigkeit sowie der dynamische Druck in radialer sowie axialer Richtung der Schleifscheibe mittels eines Prandtl-Rohrs gemessen.

Zunächst wurde die Strömungsgeschwindigkeit des Luftpolsters in radialer Richtung zur Schleifscheibe untersucht. Hierbei wurde der Messpunkt des Prandtl-Rohrs genau mittig unter der Schleifscheibe (Edelkorund offenporig, Körnung 60) positioniert und bei unterschiedlichen Abständen in radialer Richtung die Strömungsgeschwindigkeit gemessen (Abbildung 2). Zusätzlich wurde die Strömungsgeschwindigkeit des Luftpolsters in axialer Richtung, also über die Schleifscheibenbreite gemessen (Abbildung 6 rechts). Hierbei war der Abstand des Prandtl-Rohrs möglichst nah an der Schleifscheibe. Außerdem wurde die Schnittgeschwindigkeit der Schleifscheibe bei beiden Versuchsreihen zwischen 20 und 60 m/s variiert.

Bei einer Schnittgeschwindigkeit von 20 m/s liegt die Strömungsgeschwindigkeit am ersten Messpunkt von 1 mm Abstand bei ca. 9 m/s. Mit zunehmendem radialem Abstand fällt die Strömungsgeschwindigkeit exponentiell ab und liegt bereits bei 50 mm Abstand nur noch knapp über 2 m/s. Bei 100 mm Abstand ist die Strömungsgeschwindigkeit bereits so gering, dass das Messinstrument kaum noch einen Unterschied zur Messung ohne rotierende Schleifscheibe erkennt. Bei Erhöhung der Scheibenumfangsgeschwindigkeit auf bis zu 60 m/s ist der gleiche Verlauf zu beobachten. Auffallend ist jedoch, dass die Strömungsgeschwindigkeit des Luftpolsters knapp über der Scheibenoberfläche unter 50 % der eingestellten Scheibenumfangsgeschwindigkeit liegt. Bei 60 m/s sind nur ca. 30 m/s Strömungsgeschwindigkeit zu messen. Bei Betrachtung der Messungen des Luftpolsters über die Schleifscheibenbreite ist zu beobachten, dass sich das Luftpolster nicht gleichmäßig über die Scheibenbreite aufbaut. Zu den Rändern der Schleifscheibe nimmt das Luftpolster zu und je höher die Scheibenumfangsgeschwindigkeit ist, desto stärker ist dieser Effekt zu beobachten.

 

Die gleichen Untersuchungen wurden zusätzlich mit einer feineren und dichteren Sinterkorund-Schleifscheibe, einer sehr feinen und geschlossenen Diamantscheibe sowie einer glatten Stahlscheibe durchgeführt. Dabei wurde deutlich, dass die Strömungsgeschwindigkeit, und somit auch der Einfluss des Luftpolsters, mit einer feineren Körnung bzw. einer glatteren Scheibenoberfläche abnimmt. Eine grobe und offenporige Schleifscheibe kann mehr Luft mit sich führen und diese stärker beschleunigen. Eine Diamant-Schleifscheibe mit dichter Bindung besitzt keine Porosität und kann hinsichtlich des Luftpolsters mit einer glatten Stahlscheibe verglichen werden. Hier ist kaum ein Unterschied zu beobachten, obwohl sich die Oberflächenrauigkeiten deutlich unterscheiden. Die Porosität hat somit einen größeren Einfluss als die Topographie der Oberfläche.

Wenn nun die Schleifscheibenumfangsgeschwindigkeit und die dazugehörige Strömungsgeschwindigkeit des Luftpolsters unterschiedlicher Schleifscheiben in ein Diagramm (Abbildung 4) aufgetragen werden, so ist ein nahezu linearer Verlauf zu beobachten. Der Verlauf des Graphen der offenporigen und gröberen Edelkorund-Schleifscheibe hat eine steilere Steigung als der Graph der dichteren und feineren Sinterkorund-Schleifscheibe. Verglichen dazu hat der Verlauf der geschlossenen Diamant-Schleifscheibe mit einer sehr feinen Oberflächentopographie eine deutlich flachere Steigung. Durch eine definierte Steigung μL bei diversen Arten von Schleifscheiben ist es somit möglich die Bildung des Luftpolsters bei unterschiedlichen Scheibenumfangsgeschwindigkeiten zu beschreiben. Zur Analyse der Wirkzusammenhänge zwischen der KSS-Zufuhr und des Luftpolsters wurden Versuchsreihen mit einer High-Speed-Kamera durchgeführt. Hierbei wurde beispielsweise beobachtet, wie sich der KSS-Strahl, welcher tangential auf die Scheibe trifft, bei Erhöhung der Umfangsgeschwindigkeit oder bei erhöhter Austrittsgeschwindigkeit verhält.

 

Ebenfalls anhand eines Geschwindigkeitsprofils ausgewertet wurde die Änderung der Luftpolster¬geschwindigkeit über die Schleifscheibenbreite in axialer Richtung bereits 2009 von Wu und Morgan (siehe Abbildung 5). Hier wurde ebenfalls erkannt und erwähnt, dass an den Flanken der Schleifscheibe, im Verhältnis zur Schleifscheibenmitte, niedrigere Strömungsgeschwindigkeiten des Luftpolsters vorliegen. Zwischen den Flanken lässt sich ein stationär verlaufender Geschwindigkeitsbereich in Abhängigkeit des radialen Abstandes von der Schleifscheibenoberfläche und der axialen Position beobachten. Diese Erkenntnis aus der Untersuchung mittels Laser-Doppler-Anemometer steht im Widerspruch zu anderen Untersuchungen, die von einem Maximum der Strömungs¬geschwindigkeit in der Schleifscheibenmitte, bzw. zwei deutlichen Geschwindigkeitsüberhöhungen links und rechts der Mittellage berichten [Wu/Morgan].

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich das Schleifscheibenluftpolster hinsichtlich der auftretenden Strömungsgeschwindigkeiten auf eine vertikale und eine horizontale Strömungs­kraftkomponente reduzieren, die durch die innere Reibung der Luft sowie durch Grenz­schichthaftung zwischen Luft und Schleifscheibe entsteht. Diese lassen sich nach Wu/Morgan in eine x- und y- Koordinaten­richtung überführen. Durch Anwendung optischer Messverfahren (Laser-Doppler-Anemometer), kann das Geschwindigkeitsprofil des Luftpolsters ermittelt werden. Für die Entwicklung der Geschwindigkeit in Abhängigkeit des radialen Abstandes kann ein quadratisch fallender Verlauf festgestellt werden. Bei axialer Betrachtung des Geschwindig­keitsprofils weisen die Flankenbereiche der Schleifscheibe, verglichen mit der Mitte deutlich niedrigere Strömungsgeschwindigkeiten auf.

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Quellenangaben
Sax/Stab: Sachbericht des Projektpartners, Institut für Werkzeug- und Fertigungstechnik der RFH Köln mit dem AiF Förderkennzeichen ZF4420502RF7; Prof. Dr.-Ing. Wilfried Saxler, M.Sc. Roman Stabbauer – Textpassagen wurden teilweise vollständig übernommen.
WU/Morgan: H. Wu, M. N. Morgan, B. Lin. Investigation of the Grinding Wheel Air Boundary Layer Flow. Schweiz : Trans Tech Publications, 2009. 1662-8985.

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