Der Freistrahl einer Kühlschmierstoffdüse

Flüssigkeitsstrahlen lassen sich in die Kategorie der Freistrahlen einordnen. Bei Freistrahlen unterscheidet man zwischen laminaren und turbulenten Freistrahlen. Die Austrittsgeschwindigkeit des Kühlschmierstoffs innerhalb der Schleiftechnik ist hoch. Eine resultierende Größe der hohen Austrittsgeschwindigkeit ist eine Reynolds-Zahl größer 2300. Daher handelt es sich bei Kühlschmierstoffdüsen immer um turbulente Freistrahlen. Der turbulente Freistrahl ist ein typischer Strömungsvorgang einer Düse. [1,2,3]

Neben der Turbulenz des Freistrahls wird die Art der Strömungserscheinung unterschieden. Da das Umgebungsmedium einer Kühlschmierstoffdüse die ruhende Luft ist, kann der Freistrahl in die Gruppe der freien Turbulenz eingeordnet werden. Abbildung 1 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines Freistrahls mit seinen charakteristischen Bereichen. [1,2,3]

 

Abbildung 1: Schematische Darstellung eines turbulenten Freistrahls und dessen charakteristische Bereiche [4]

Der Freistrahl teilt sich je nach Abstand und Lage relativ zum Düsenaustritt in mehrere Bereiche auf. Es werden die folgenden Bereiche unterschieden:

  • Primärfluid
  • Sekundärfluid
  • Kern
  • Mischzone

Die grundlegende Bildung eines Freistrahls kann in mehrere Punkte unterteilt werden. Zunächst strömt das Primärfluid (Kühlschmierstoff) mit einer Geschwindigkeit c0 aus einer Öffnung in ein Sekundärfluid (Luft).

Beim Sekundärfluid (Luft) handelt es sich um ein ruhendes Umgebungsmedium ohne scharfe Begrenzungsfläche. Abzugrenzen davon ist die Wandturbulenz bei der die Umgebung eine feste Begrenzung ohne Austausch ist. [1,2,3]

Zwischen Primärfluid und dem ruhenden Sekundärfluid entsteht eine Relativbewegung, da beide Medien unterschiedliche Geschwindigkeiten aufweisen. Die Begrenzungsfläche wird Grenzschicht genannt. Reibung zwischen der Randzone des Primärfluids und der Randzone des Sekundärfluids sorgt dafür, dass das Sekundärfluid mitgerissen wird. Dadurch vermischt sich die Randzone des Primärfluids und reichert sich mit dem Sekundärfluid an. [1,2,3]

Der Kernbereich zeichnet sich dadurch aus, dass er aus einer ungestörten Strömung besteht. Mit zunehmendem Abstand zur Austrittöffnung nimmt der Kernbereich kegelförmig ab. Der Einfluss des Sekundärfluids erhöht sich mit zunehmendem Abstand zum Austritt und vermischt sich mit dem Kernbereich. Die Länge des Kernbereichs steht in keinem festen Verhältnis zur Austrittsgeometrie, sondern hängt maßgeblich von der inneren Gestaltung der Düse ab. Unmittelbar hinter dem Düsenaustritt ist die Geschwindigkeit des Primärfluid konstant. [1,2,3]

In der Mischzone, oder auch Übergangszone genannt, vermischt sich zunehmend das Sekundärfluid mit dem Primärfluid der Düse. Die Geschwindigkeit nimmt mit zunehmendem Abstand zur Austrittsöffnung in x-Richtung (siehe Abbildung 2) hyperbolisch ab. Die Abnahme der Geschwindigkeit wird durch die innere Reibung des Fluidgemischs verursacht. [1,2,3]

In y-Richtung des Freistrahls bildet sich ein Geschwindigkeitsprofil nach einer Gaußschen Normalverteilung aus. Die Randzone des Freistrahls hat die Geschwindigkeit null und gleicht sich somit mit der Geschwindigkeit des Sekundärfluids. Im gesamten Freistrahl beträgt der Druck Umgebungsdruck. [1,2,3]

Der Strahlenzerfall einer Kühlschmierstoffdüse

Unmittelbar nachdem der Freistrahl mit einer definierten Geschwindigkeit aus der Düse strömt, beginnt er zu zerfallen. Der Fluidzerfall hängt dabei von mehreren Faktoren ab. Dazu zählen unter anderem:

  • die innere Gestalt der Düse
  • die Stoffdaten des Fluids sowie des Umgebungsmediums
  • die Relativgeschwindigkeit zwischen Fluid und Umgebung

Diese Einflussgrößen bestimmen den Grad der Zerstäubung und damit die Größenverteilung der dabei entstehenden Tropfen. Zudem wird durch diese Größen die charakteristische Länge des Kernbereichs bestimmt.

Zerfallsmechanismen des Kühlschmierstoff-Freistrahls

In der Veröffentlichung unterscheidet man verschiedene Zerfallsmechanismen des Freistrahls.

Diese Zerfallsmechanismen sind experimentell erkannt und definiert worden. Es wird zwischen den folgenden unterschieden:

  • Zertropfen (Rayleigh-Zerfall)
  • Zerwellen
    - erster windinduzierter Bereich
    - zweiter windinduzierter Bereich
  • Zerstäuben

Die zuvor genannten Zerfallsmechanismen sind in Abbildung 2 schematisch (links) und experimentell (rechts) dargestellt.

Abbildung 2: Arten des Strahlenzerfalls. Links die schematische Darstellung [5,7] und rechts experimentell ermittelt

Zertropfen des Kühlschmierstoffstrahls

Der aus der Düse austretenden Fluidzylinder ist instabil und führt schließlich durch axialsymmetrische Schwingungen der Flüssigkeitsoberfläche zum Abschnüren von einzelnen Tropfen. Dieser Zerfallsmechanismus wird auch Rayleigh-Zerfall genannt und entsteht bei sehr geringen Strömungsgeschwindigkeiten. Die abgelösten Tropfen sind größer als der ursprüngliche Strahldurchmesser. Die Strahlzerfallslänge Lz, also die Länge relativ vom Düsenaustritt ab dem sich der Tropfen ablöst, ist von allen Zerfallsmechanismen am längsten und nimmt mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit ab. [5,6]

Zerwellen des Kühlschmierstoffstrahls

Erster windinduzierter Bereich

Steigert man die Strömungsgeschwindigkeit aus der Düse so beschleunigt man den Rayleigh-Zerfall durch axialsymmetrische Schwingungen. Die Tropfen lösen sich früher vom Fluidstrahl und führen so zu kleineren Tropfen in der Größe des ursprünglichen Strahldurchmessers. Aufgrund der früheren Ablösung der Tropfen verringert sich die Strahlzerfallslänge Lz. [5,6]

 

Zweiter windinduzierter Bereich

Erhöht man die Strömungsgeschwindigkeit weiter, so verstärkt man den Rayleigh-Zerfall und damit die axialsymmetrischen Schwingungen. Es führt zu Tropfen die kleiner sind als der ursprüngliche Strahldurchmesser. Die Strahlzerfallslänge Lz verschiebt sich weiter hin zum Düsenaustritt. [5,6]

Zerstäuben des Kühlschmierstoffstrahls

Die Tropfenablösung beginnt unmittelbar nach dem Verlassen des Düsenaustritts. Es entsteht ein Spray aus kleinen Tropfen. Die Größe der Tropfengrößenverteilung variiert dabei stark und ist wesentlich kleiner als der ursprüngliche Strahldurchmesser. Je nach Düsengeometrie kann ein Kernbereich des Freistrahls vorhanden sein. [5,6]

 

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Quellenangaben
[1] Oertel jr., Herbert (Hrsg.): Prandtl - Führer durch die Strömungslehre: Grundlagen und Phänomene, 14. Aufl. 2017, Wiesbaden, s.l., Springer Fachmedien Wiesbaden, 2017 (Springer Reference Technik).
[2] Schlichting, Hermann; Gersten, Klaus; Krause, Egon: Grenzschicht-Theorie: Mit 22 Tabellen, 10., überarbeitete Auflage, Berlin, Heidelberg, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2006.
[3] Glazik, Günter; Kraatz, Willi; Kranawettreiser, Jörg; Martin, Helmut; Wagner, Harold: Technische Hydromechanik, 2., vollständig überarbeitete Auflage, Aigner, Detlef (Hrsg.); Carstensen, Dirk (Hrsg.), Berlin, Wien, Zürich, Beuth Verlag GmbH, 2015.
[4] Kümmel, Wolfgang, Technische Strömumgsmechanik, Theorie und Praxis, B.G. Teubner Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007.
[5] Pfeifer, Christian: Experimentelle Untersuchungen von Einflußfaktoren auf die Selbstzündung von gasförmigen und flüssigen Brennstofffreistrahlen. Zugl.: Karlsruhe, Inst. für Technologie, Diss., 2010, Karlsruhe, KIT Scientific Publ, 2010 (KIT scientific reports 7555).
[6] Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen: VDI-Wärmeatlas: Mit 320 Tabellen, 11., bearb. und erw. Aufl., Berlin, Springer Vieweg, 2013.
[7] Geilert, P.; Kolkwitz, B.; Eckebrecht, J.; Heinzel, C.: Einfluss der Kühlschmierstoffzufuhrbedingung auf die Energieeffizienz und die Leistungsfähigkeit von Schleifprozessen, 2016.

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